
Arzneimittelzölle: US-Regierung rudert zurück
Die US-Regierung scheint nun vorerst doch keinen generellen Zoll von 100% auf alle in die USA eingeführten rezeptpflichtigen Arzneimittel zu erheben. Stattdessen erwarte sie, ähnliche freiwillige Selbstverpflichtungserklärungen wie von Pfizer. Das Unternehmen hatte sich im Rahmen der MFN-Verhandlungen bereiterklärt, seine Arzneien in den USA 80% günstiger als bisher zu verkaufen und 70 Mio. US-Dollar zu investieren.
Einer Berg- und Talbahnfahrtein Jahr vor den Midterm-Wahlen am 4. November 2026 gleichen die Ankündigungen der US-Regierung zu Pharmazöllen. Zunächst hatte US-Präsident Donald Trump am 25. September unter großem Protest bekanntgegeben: Vom 1. Oktober an müssen alle Pharmaunternehmen einen 100%igen Zoll auf rezeptpflichtige Arzneimittel zahlen, die keine Produktionsanlage in den USA bauen. Nun berichtet STAT News unter Berufung auf US-Handelsminister Howard Lutnick, die Regierung werde die Zölle auslaufen lassen.
Stattdessen wolle man sich verstärkt darauf konzentrieren, Kostensenkungen der Arzneimittelpreise in den USA zu vereinbaren. Dies solle im Rahmen der im Sommer begonnenen Most Favoured Nation (MFN)-Gespräche mit 17 CEOs der großen Pharmafirmen stattfinden. Anfang der Woche hatte der Pharmariese Pfizer Inc. zugesagt, die Preise seiner Arzneimittel in den USA um bis zu 80% zu senken und zusätzlich 70 Mio. US-Dollar zu investieren. Dafür ist das international produzierende Unternehmen drei Jahre lang von Zöllen befreit. US-Handelsminister Howard Lutnick hatte laut STAT am Rande einer Feier mit Pfizer-Verantwortlichen den Kurswechsel der US-amerikanischen Regierung bekanntgegeben.
Resultat von Pfizers Zugeständnis war eine Börsenrallye wie seit der Corona-Krise nicht mehr. Die Börse feierte offensichtlich das Verschwinden der Unsicherheit über dadurch ausgelöste globale Störungen der Pharmalieferkette, die die Ankündigung der Pharmazölle verursacht hatte. Während Analysten spekulierten, Pfizer habe nur eingelenkt, weil Schlimmeres abgewendet werden musste, erscheint US-Politik-Insidern der Regierungsschwenk als innenpolitisch-wahltaktisches Manöver vor den Midterm-Wahlen, in denen die US-Regierungen der letzten Jahrzehnte regelmäßig für ihre Regierungsarbeit abgestraft wurden: Während Pharmazölle Arzneimittel in den USA teurer machen, beinhaltet das Abkommen mit Pfizer eine wichtige Botschaft an die 26,2% über Medicaid versicherten und die unversicherten Amerikaner: Über Medicaid werden für beide Gruppen ab 2026 bis zu 80% billigere Medikamente verteilt – ein klassisches Wahlgeschenk. Zudem kann Trump, wenn er bei den Zwischenwahlen eine Mehrheit im Kongress gewinnt seine politische Agenda besser durchsetzen.
Zuletzt gab es Widerstand aus dem Kongress gegen MFN. Eine gesetzliche MFN-Regelung schien deshalb so gut wie ausgeschlossen. Zudem gab es, ähnlich wie bei Trumps Executive Order zu Pharmazöllen, erhebliche Zweifel daran, ob die Regelung vor Gericht Bestand haben würde. Bis Ende August hatten Zollzahlungen 136 Mrd. US-Dollar in die Kasse der US-Regierung gespült. Zurückgezahlt werden würde, im Falle eines richterlichen Verbots, nur auf Einzelantrag bei der zuständigen Zollbehörde. Es gilt als unwahrscheinlich, dass in voller Höhe erstattet wird.
STAT News zufolge erwarte die US-Regierung nun weitere freiwillige Zugeständnisse von den 17 im Sommer von Trump persönlich angeschriebenen CEOs der Pharmafirmen. Nach der Ankündigung drastischer Arzneipreissenkungen in den USA hatte Roche-CEO Dr. Thomas Schinecker klargestellt, dass man dann wohl nicht mehr die zuvor zugesagte Investition von 23 Mrd. US-Dollar in die US-Produktionsinfrastruktur vornehmen könne.
Für Europa und Deutschland könnte das Hin und Her in den USA durchaus Vorteile bieten. Zölle, Preisregulierungen und andere handelspolitische Einschränkungen würden beim Auftragshersteller IDT Biologika laufend analysiert und sehr genau bewertet, um mögliche negative Auswirkungen auf Lieferketten, Kostenstrukturen und Projektentscheidungen frühzeitig zu erkennen und abzufedern, verriet Federico Pollano, Chief Commercial Officer (CCO) bei IDT Biologika, gegenüber |transkript.de. „In diesem Zusammenhang verzeichnen wir aktuell einen spürbaren Anstieg an Projektanfragen, nicht nur im Bereich neuer Entwicklungsprojekte, sondern zunehmend auch im Zusammenhang mit Transfers aus anderen Regionen der Welt. Die Unsicherheit rund um internationale Handelsabkommen führt dazu, dass viele Unternehmen nach stabilen und verlässlichen Partnern in Europa suchen“, so Pollano.